Anfang von: Namenlose Geschichte :D

Langsam öffnete ich die Augen
Ein verschwommener Umriss starrte auf mich herab, ich lag auf weichem Gras.
Es war kühl, aber dennoch trocken und die Umrisse wurden von Sekunde zu Sekunde schärfer.
Erschrocken stellte ich fest, dass dieser Schatten Sheila war. Ein silberner Gegenstand funkelte in ihrer Hand.
Es war ein 20 cm langes Küchenmesser, das vor Blut nur so triefte.
Ich erkannte die schwarzen Initialien auf dem Griff. Es waren meine – C.M.
Sheilas schweres Atmen war das einzige Geräusch, das die Stille der Nacht brach.
Der Mond war am abnehmen. Wer konnte in einer solchen Situation schon so etwas Absurdes denken?
Ich war schon immer leicht ablenkbar gewesen, sonst wäre ich wahrscheinlich nicht in dieser Situation:
Mitten in der Nacht an einem Fluss, fast allein, nur dieses verfluchte Miststück stand vor mir, mit meinem Messer in der Hand.
Ja, wäre ich nicht so leicht ablenkbar gewesen, dann hätte ich mein Messer noch und müsste jetzt nicht Angst davor haben, dass meine beste Freundin mich umbringt. Auf einmal begann sie zu flüstern:
“Komm schon, lauf weg. Ist es nicht tragisch für eine Katze, wenn die Maus ihr die Krallen stiehlt?“
Sie lachte kurz böse, wurde aber gleich wieder ernst.
Stöhnend rappelte ich mich auf, als ein heftiger Schmerz durch meine Schulter zuckte.
Ich betrachtete die tiefe Stichwunde und schrie leise auf.
Sheila stand immer noch vor mir und ließ ihr irres Lachen ertönen.
„Rot steht dir“, stichelte sie.
Ich antwortete nicht. Meine Gedanken kreisten noch immer um das Problem mit meiner Schulter.
Doch im Grunde hatte ich gar keine Zeit für so etwas, also schmiedete ich lieber einen Fluchtplan – oder auch nicht. Denn im nächsten Augenblick sprang ich trotz Verletzung auf, trat ihr gegen das Bein, riss ihr das Messer aus der Hand und richtete es auf sie.
Mit Tränen in den Augen schrie ich sie an:
„Stirb, Schlampe!“ Ich stürzte mich auf sie und wollte auf sie einstechen, doch Sheila lief davon, wie sie es immer schon getan hatte. Ich rannte voller Rachegedanken hinter ihr her und wollte nichts mehr, außer ihren Tod.
Sheila war schnell, doch ich war schneller. Ich stellte ihr ein Bein und fiel mit dem Gesicht nach unten in den Matsch.
Sie versuchte vor mir wegzukriechen, doch sie war zu langsam. Ich stach mit dem Messer auf sie ein, erwischte beim ersten Mal jedoch nur knapp ihr Hosenbein. Beim zweiten Mal streifte die Klinge ihre Haut und hinterließ einen Ritz in ihrem Fleisch.
Dunkelrotes Blut strömte in einem langsamen Fluss aus ihrer Wunde. Doch das war mir nicht genug. Ein weiteres Mal holte ich aus und...
Bevor ich sie verletzen konnte traf mich etwas Schweres auf den Hinterkopf. Ich sank zu Boden und warmes Blut durchnässte mein Haar. Ich hörte noch Sheilas erleichtere Stimme: „Sam!“ Dann verschwamm wieder alles und ich schlief ein.

Am nächsten Morgen wurde ich von der Sonne geweckt. Warum bin ich nicht tot? Und was ist geschehen? Ach ja, Sheila und ... und Sam! Wie konnte er nur?
Ich erinnerte mich dunkel, dass wir vier zelten waren, Sam, Sheila, Ray und ich. Und mir wurde schnell klar, dass nicht Sheila die Böse gewesen war, das war allein ich.
Nach einiger Zeit, in der ich mit Ray zusammen war, hatte ich erkannt, dass er zu der Gruppe von Vollidioten gehörte, auf die man leicht hereinfiel. Sam dagegen war anders. Und noch dazu sah er um einiges besser aus.
Dennoch fand er nichts an mir. Er interessierte sich nur für Sheila. Aber was hatte sie, was ich nicht habe?
Also fing ich an sie zu stalken, denn ich wollte wissen, was an ihr so besonders sein konnte. Ich beobachtete wie sie mit ihm ausging, mit ihm lachte und Spaß hatte...
Und jedes mal wurde ich rasend vor Eifersucht, Wut und Neid. Das alles zerfraß mich innerlich. Schon bald erkannte ich, dass es ihre leichte und unbekümmerte Art war, die er so mochte. Ihr Talent andere zum lachen zu bringen und ein Gespräch am laufen zu halten. All das konnte ich einfach nicht und solche Dinge kann man nicht kopieren – aber aus der Welt schaffen.
Letzten Abend ging ich dann mit ihr herunter zum Flussufer. In meiner Jacke versteckte ich das Messer und zuerst wollte ich ihr nur drohen, sie zwingen mit Sam Schluss zu machen. Doch sie wollte nicht hören und da beschloss ich sie zu töten.
Der Streit hatte schon lange vorher angefangen und Sam hatte sofort gemerkt worum es ging. Immer wenn Sheila und ich stritten versuchte er auf seine beruhigende Art den Streit zu schlichten. Rays einziger Beitrag war „Uh, Miezenkampf“ gewesen. Doch jetzt war entgültig Schluss. Ich musste gewinnen, denn ich wusste, dass Sam der Eine für mich war – und Sheila die Eine für ihn.
Es war einen Versuch wert, redete ich mir ein. Es geht darum glücklich zu werden und ich war schon viele Male enttäuscht worden und viele Stunden in meinem Leben war ich betrübt und niedergeschlagen gewesen. Schlechter konnte es kaum werden und falls es nicht klappen sollte gab es immer noch die Möglichkeit mich selbst umzubringen.
Eine Überdosis Morphium, ein Messerstich ins eigene Herz oder den Sprung von einer Brücke. Es gibt genug Möglichkeiten um all das zu beenden.
Doch wenn Sheila tot wäre, könnte ich ihm Sam alles erzählen. Dass Sheila ihn gar nicht verdient habe und das es gut sei, dass sie nicht mehr lebt. Dass sie es nicht einmal würdig gewesen wäre über sie zu reden, weil sie eine linkes Miststück gewesen sei. Ich könnte wieder hoffen, dass er endlich erkennen würde, dass er MICH liebt und nicht SIE.
Ein dumpfes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Schritte – sie kamen näher und verstummten wieder. Ich sah mich um und bemerkte, dass ich neben unseren Zelten lag. Die Anderen müssen mich wohl mitgenommen haben. Die Feuerstelle, die beiden Zelte, der umliegende Wald – alles wirkte so friedlich. Doch die Stimmung war angespannt. Sam und Sheila saßen an der Feuerstelle, Roy war gerade ins Zelt zurückgegangen.
Die Lichtung war umrandet von grünen Bäumen und das Rauschen wirkte in gewisser Weise beruhigend. Ich schloss die Augen und tat so, als wäre ich noch immer bewusstlos. Vielleicht könnte ich etwas von ihren Gesprächen aufschnappen.
„Und sie hat dich grundlos angegriffen? Und sich dann selbst eine Verletzung an der Schulter verpasst, um es dir anzuhängen?“, fragte Sam mit einem Fragezeichen im Gesicht. Ich war mir sicher, dass Sheila wieder ängstlich und schüchtern nickte um eine tröstende Umarmung von Sam zu ernten.
Gott, wie ich diese Hure doch hasste! Und Sam, wie konnte er so leichtgläubig sein? Ich drehte meinen Kopf ein paar Zentimeter, doch ein schweres Pochen erinnerte mich an meine Kopfwunde.
Der metallische Geruch war überall und ich badete förmlich in meinem eigenen Blut. Dann wieder Schritte, diesmal ganz nah.
Ich glaubte sie stehen hinter mir. Ob Ray wohl auch dabei ist? Beinahe wäre ich aufgesprungen, doch ich unterdrückte meine Wut und wartete auf den richtigen Zeitpunkt um sie zu überraschen. Sollte ich weglaufen oder mich ihnen ganz offen stellen?
Ich entschied mich dafür nicht wegzulaufen. Wo sollte ich denn schon groß hingehen? In den Wald? Ohne Essen, Trinken, einen Schlafplatz und Feuer? Nein, ich konnte hier nicht weg und mitten ins Nirgendwo laufen.
Ich wartete immer noch. Ich erwog die Möglichkeit die Spritze einfach aus meiner Tasche zu nehmen, doch es war noch zu früh. Vorher würde ich Sheila mit in den Tod reißen. Und wenn es sein müsste auch Sam. Ray war mir egal. Ein krankhaftes Lachen hallte durch meinen Kopf, es störte mich nicht. Es fühlte sich sogar richtig gut an.
Die drückende Müdigkeit nahm stetig ab und bald war ich wieder hellwach und klar im Kopf. Ich musste mir etwas Neues überlegen um Sheila zu töten. Ich brauchte einen Plan, aber vor allem musste ich geschickt handeln.